EuroBiCon 2016 – Eindrücke Teil 2

Elisa, David und Theresa waren im Juli 2016 in Amsterdam auf der EuroBiCon / EuroBiReCon in Amsterdam. Ihre Erfahrungen, Entdeckungen und Eindrücke von den Veranstaltungen und den Menschen, denen sie dort begegnet sind, schildern sie in Berichten. Den Anfang hat Theresa gemacht, heute berichtet Elisa uns von ihren Eindrücken. Vielen Danke Elisa!


Erschöpft und gleichzeitig erleichtert – so fühlte ich mich nach den knapp 4 Tagen EuroBi(Re)Con in Amsterdam Ende Juli 2016. Auch für mich war dies die erste internationale Veranstaltung organisiert durch und für Bi- und Pansexuelle. Für mich war es eine emotionale Achterbahnfahrt, über die ich ein bisschen berichte.

Ich lebe seit mehr als fünf Jahren offen bisexuell. In dieser Zeit habe ich diverse bi-spezifische Veranstaltungen in Berlin mitorganisiert und war 2 Jahre lang Landesvorständin im Jugendnetzwerk Lambda BB, wo ich mich unter anderem für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz von bisexuellen Jugendlichen einsetzte. 2015 habe ich mich aus verschiedenen Gründen entschieden, meinen Aktivismus stark einzuschränken. Zum einen, weil ich die bisexuelle Community in Berlin zum Teil als nicht feministisch und ohne Bewusstsein für Menschen mit Mehrfachdiskriminierung empfunden habe. Zum anderen, weil ich depressiv wurde und mich in erster Linie um meine eigene Gesundheit kümmern musste.

Der mentale Gesundheitszustand unter Bisexuellen ist, milde ausgedrückt, miserabel. Das war eine der – für mich zugegebenermaßen nicht verwunderlichen – Lehren des ersten Tages der Euro Bi Research Con. An diesem ersten Tag wurden in themenzentrierten Blöcken Studien zu verschiedenen Aspekten von Bisexualität aus unterschiedlichen Ländern vorgestellt. Ich hörte tatsächlich beinahe den gesamten Tag Forschungsergebnisse, die zeigten: Bisexuelle leiden stärker als Hetero- wie auch Homosexuelle an gesellschaftlicher Diskriminierung, Ausgrenzung, bi-spezifischen Vorurteilen und haben u.a. daher öfter Angststörungen, Depressionen, Suizidgedanken, etc. [z.B. Studien von Wendy Bostwick/Northern Illinois University; Grant Denkinson/University of Leicester ]. Die Gewaltrate gegen bisexuelle Frauen, insbesondere in intimen Beziehungen, ist weitaus höher als gegen Heteras und Lesben. Bisexuelle Menschen of Colour, mit Behinderungen, in Armut lebende Bisexuelle, transidente Bisexuelle, erleiden zusätzliche Ausgrenzung, insbesondere auch innerhalb der bisexuellen Gemeinschaft [z.B. Bi’s of Colour Report von Jacq Applebee].

So viel zur Forschung. An den darauffolgenden Tagen nahm ich an verschiedenen sehr spannenden Sessions zu bisexuellem Aktivismus teil. Unter anderem gab die US-amerikanische Aktivistin Robyn Ochs einen Workshop zur Komplexität von sexueller Identität und deren (möglicher/wahrscheinlicher) Entwicklung im Laufe unseres Lebens. Soudeh Rad und Zeynab Peyghambarzadeh sprachen über die besonderen Hürden bisexueller Asylbewerber_innen, und gemeinsam mit anderen Aktivist_innen überlegten wir Möglichkeiten der Unterstützung in unseren lokalen Bi Communities. Den Abschluss der EuroBiCon bildete für mich ein von Amets Suess geleiteter Workshop, in dem sich die Teilnehmer_innen über die Überschneidungen der bisexuellen mit den Trans* und nicht-binären Communities und gegenseitige Unterstützungen austauschten. Für mich und viele andere war dies eine sehr emotionale Erfahrung. Gleichzeitig fühlte ich mich unglaublich geborgen und bereichert in dieser Gruppe.

Als introvertierter Mensch mit Depressionserfahrung war die EuroBiCon für mich eine Herausforderung – und die Organisator_innen hatten für wunderbare Unterstützungsmittel gesorgt: Wir konnten alle eine Sticker-Farbe wählen um zu signalisieren, wie offen wir für Kommunikation sind – rot bedeutete „ich möchte alleine sein“; orange „ich möchte nur mit mir bereits bekannten Menschen sprechen“; grün „du kannst mich gerne ansprechen“. Außerdem gab es Ruheräume in die wir uns zurückziehen konnten, und jeden Tag fungierten bestimmte Freiwillige als „care bears“, die ein offenes Ohr für unsere Sorgen hatten. Mir half es außerdem, mir zwischendurch Programmpausen zu gönnen, und mit engen Freund_innen Zeit zu verbringen.
Ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren öfter an EuroBiCons teilnehmen kann. Außerdem hoffe ich, dass mentale Gesundheit kein Tabu unter Aktivist_innen bleibt.

Daher noch eine Empfehlung für das Buch „Neustart“ von Stephan Urbach  http://neustart.herrurbach.de/

Elisa

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