Zeit Online, Coming Out und Sichtbarkeit
Entstanden ist die Idee mehr aus Frust als aus Überzeugung. Ich bin Mitglied im bisexuellen Netzwerk, ich arbeite an diesen Blog und engagiere mich in Berlin, in dem ich offene Gruppen und gemeinsam mit tollen Leuten ein Bar Camp zum Thema organisiere. Trotzdem bin ich massiv gefrustet, weil so wenig Öffentlichkeitsarbeit passiert, so wenig Gesicht gezeigt wird. Die Mehrheit der Mitglieder im bisexuellen Netzwerk sind nicht daran interessiert Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Viele dort sind ungeoutet und aus den verschiedensten Gründen nicht bereit sich zu Ihrer Sexualität zu bekennen. Die Gründe sind vielfältig: Angst vor Verlust oder Probleme im Job, bei Familienmüttern oder Vätern die Angst haben das ihre Kinder und Familienangehörige Ärger bekommen, es ist die Furcht vor den verschiedensten Repressalien. Ich fand es erschreckend wie wenig dazu bereit sind sich zu outen und für etwas was eines ihrer eigensten Teil ist ein zustehn. Vielen scheint es dort zu genügen zu den verschiedenen Treffen zu fahren, dort zum Teil ihre Sexualität und diesen Teil ihres „Ichs“ ausleben zu können, verpackt in zum Teil theaterpädagogischen Spielen. Sicher eine Lösung, aber wäre es nicht schön, wenn es Normal ist, so zu sein, wie man ist und so geliebt und geachtet zu werden und diesen, sehr wichtigen Teil nicht verstecken zu müssen. Auch die Reaktion oder Diskussionen mit Freunden und Bekannten haben mich massiv frustriert. Immer wieder kommen die gleichen Fragen, warum muss man sich / du Dich outen. Das muss man doch nur, wenn man mehr als einen Partner hat und so weiter. Viele nicht bisexuelle Bekannte schauen bis heute leicht pikiert, wenn ich von meinem Liebesleben erzählen will, so das viele gar nichts davon wissen. Bei Internetportalen wie „Gayromeo“ oder „Joyclub“ habe ich viele Diskussionen geführt über Bisexualität und Coming Out, dazu zu stehen, auch im Alltag. Aber der Wille dazu ist gering, die Furcht und Angst ist viel größer als die Hoffnung, dass man dadurch Freier wird. All dieser Ärger hat mich dazu gebracht den Leseartikel zu schreiben, denn ich bin der Meinung, dass man für das Einstehen muss, an was man glaubt.
Der Artikel wurde unterschiedlich aufgefasst, was gut in den Kommentaren zu sehn ist, auch gab es positive Kritik an den Artikel. Ein Leseartikel darf nur 3000 Zeichen beinhalten. Ich musste mich auf das Wichtigste konzentrieren. Besonders die Sichtbarkeit und das Coming Out lag mir am Herzen und zu berichten, wo Probleme sind und Ängste. Leider habe ich versäumt in den Artikel zu unterstreichen das viele Bisexuelle monogam leben und bisexuell nicht gleich zu setzen mit Poly*irgendwas ist oder nur eine Spielart im Bett ist. Schnell kam es in den Kommentaren zu genau diesen Diskussionen – Mehrfachbeziehungen, dass es dasselbe sei wie BDSM, Tantra, NS und so weiter. Am Anfang wollte ich gar nicht so viel mit diskutieren, aber es drohte in eine Richtung zu gehen, die meiner Meinung nach nicht der Idee des Artikels zuträglich ist, sodass ich doch fleißig kommentierte.
Das Dümmste war jedoch, das der Link in den Artikel defekt war. Ich werde das Gefühl nicht los das der Artikel schnell am 23.12. ins Netz gestellt wurden und der Link nicht noch einmal geprüft wurden ist.
Ich gehe aus der ganzen Aktion mit gemischten Gefühlen heraus. Ich hoffe, dass ich viele Menschen erreicht und sie zum Nachdenken animiert habe. Die Kommentare zeigten, dass viele Vorurteile und stereotype Meinungen existieren. So ziemlich jedes biphobe Vorurteil wurde einmal genannt. Dies macht mich nachdenklich und zeigt, wie viel noch zu tun ist. Mal sehn, was das Breitband Coming Out für Auswirkungen auf meinen Alltag haben wird.
Tatsächlich kann auch ich leider davon berichten. Bisexualität ist mehr – zumindest für mich – als eine sexuelle Spielart.