SlutWalk (Berlin)

Am 13. August haben deutschland- und weltweit viele der sogenannten SlutWalks stattgefunden – „Demonstrationen gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigungsmythen und -verharmlosungen“ und für „Selbstbestimmung hinsichtlich Körper, Gender, Sexualität und Begehren“, wie es auf der Seite des SlutWalk Berlin im FAQ heißt. Transparent: "SlutWalk Berlin 2011" © »Paula«

Ein wichtiges Thema,  obwohl ich fürchte, dass es noch viele SlutWalks benötigen wird, um diese Botschaft in den Köpfen der Bevölkerung zu implementieren. Doch ein Anfang muss ja erstmal gemacht werden, und daher gingen allein in Berlin etwa 3000 Frauen, Männer und Menschen außerhalb dieser beiden Kategorien für ihre Rechte auf die Straße, begleitet von strahlendem Sonnenschein und den erstaunten, amüsierten, zustimmenden oder auch missbilligenden Blicken vieler Zuschauer_innen am Straßenrand. Drei Stunden lang wurden Plakate geschwenkt, auf denen Slogans wie „Mein Körper gehört mir“, „Konsens ist sexy“, „Nein heißt nein“ oder „Ich habe nichts anzuziehen, das mich vor Gewalt schützt“ standen.  Zu Beginn, zwischendurch und am Ende erfolgten verschiedene Redebeiträge, die ich leider aufgrund der Entfernung nicht hören konnte.

Es war großartig, mit anzusehen, wie viele Menschen verschiedenen Alters, Geschlechts und Hintergrundes bei einer queer-feministischen Demo mitgelaufen sind – denn genau das ist der SlutWalk in meinen Augen. Es hat sich gezeigt, dass Feminismus auch Spaß machen kann, ohne dass mensch den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des Anliegens dabei aus den Augen verliert. Die Thematik betrifft ja nicht nur Frauen (selbst wenn sie statistisch gesehen am häufigsten Opfer sexualisierter Gewalt sind, die von Männern ausgeht), sondern alle Menschen, egal ob männlich, weiblich oder außerhalb dieser Kategorien, egal ob heterosexuell, bisexuell, homosexuell, asexuell oder etwas anderes. Schließlich wurde beim SlutWalk auch für die Freiheit auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung demonstriert.

Shirt-Spruch: "MEIN Körper, MEIN Make-up, MEINE Kleidung [...] haben nichts mit DIR zu tun!" © »Paula«

Leider verlief nicht alles schön an diesem Samstag, denn wie zu erwarten gab es auch Menschen, die gekommen waren, um zu gaffen, zu pöbeln, zu grabschen – hier ein großer Dank an die Ordner_innen, die immer wieder eingegriffen und auch die herumstehende Polizei mobilisiert haben, wenn auch leider nur zum Teil erfolgreich. Beinahe noch lästiger war allerdings die riesige Horde aufdringlicher Fotografen! Bei letzteren handelte es sich nahezu ausschließlich um weiße Männer mittleren Alters mit dicken Kameras und anscheinend wenig Scham, die es trotz mehrfacher Ermahnungen der Ordner_innen nicht lassen konnten, jedes Stückchen weiblicher(!) nackter Haut in Nahaufnahme abzulichten – und wenn der Zoom nicht reichte, wurde halt das Objektiv fast in den Ausschnitt geschoben.

Ob es sich dabei immer um Journalisten handelte, kann ich nicht sagen, doch viele von ihnen waren in professionellem Auftrag unterwegs, denn leider spiegelt die allgemeine Berichterstattung den Eindruck wider, dass ein Großteil der Teilnehmer_innen bei dieser gierigen Fixierung auf die wenigen (halb)nackten Frauen wirklich nicht wahr genommen wurde… was ja auch zeigt, dass von vielen der Sinn dieser Veranstaltung überhaupt nicht erfasst wurde und sie im Gegenteil genau jene Menschen verkörpert haben, gegen die wir auf die Straße gegangen sind. Sicherlich fanden es nicht alle Teilnehmer_innen schlimm, fotografiert zu werden, sondern hatten genau dies sogar im Sinn – doch hatten die meisten Journalisten offenkundig ein großes Problem damit, ein deutliches und mehrfach geäußertes „Nein, bitte keine Fotos!“ (was teilweise sogar auf den Körpern der Teilnehmer_innen geschrieben stand) zu verstehen bzw. zu akzeptieren. Genau das ist es, was selbst bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht passieren dürfte. Gucken, klar, aber nicht belästigen!

Ebenfalls schade finde ich es, dass der Begriff „SlutWalk“ (in etwa: „Schlampenmarsch“) fast überall ein Statement nötig machte, wieso er so heißt, welches Konzept genau dahinter steht und wieso das so wichtig ist. Auch stolperte ich mehrmals über Webseiten, in denen Interessierte schrieben, sie wären gerne mitgelaufen, aber nicht unter dem Label „Schlampe“ – das ist natürlich schade. Ich persönlich finde die Wahl des Begriffs zugegebenermaßen auch schwierig, doch ist er nun einmal entstanden durch die Aussage eines Torontoer Polizisten, wurde von den Protestierenden absichtlich so aufgegriffen und hat sich weltweit durchgesetzt. (Für mich persönlich klingt der Begriff „Schlampe“ auch noch einen Zacken schärfer als „slut“, was wohl einzig daran liegt, dass er aus meiner Muttersprache kommt und ich damit negative Erfahrungen und Erinnerungen assoziiere. Ein Ziel des SlutWalks ist es daher auch, gegen diese negativen Assoziationen mit dem Begriff anzugehen.)

Ob die SlutWalks selbst etwas sofort „Sichtbares“ bewirken können, bleibt abzuwarten; doch finde ich es unglaublich wichtig, dass die angesprochenen Themen und Probleme im Hinterkopf präsent bleibt, sowohl bei den Demonstrant_innen, den Zuschauer_innen als auch denjenigen, die vielleicht nur davon gehört, gelesen oder im TV gesehen haben. Ich hoffe, es hilft zu wissen, dass es Anlaufsstellen und Hilfsorganisationen gibt, dass bedrohliche oder als bedrohlich empfundene Situationen geäußert werden dürfen und müssen und dass Hilfe off- wie online gefunden werden kann. Die Opferrolle muss aufgegeben werden können, auch wenn es vielleicht schwer fällt, auch wenn es nicht von heute auf morgen passieren wird, auch wenn es ein schwieriger innerer Kampf sein kann (so empfinde ich es zumindest bei mir selbst).

Ich danke dem Organisationsteam des SlutWalk Berlin von ganzem Herzen für diese wichtige Veranstaltung und hoffe, dass die SlutWalks in anderen Städten ebenso erfolgreich waren bzw. sein werden. Danke!

Shirt-Spruch: "hug kiss love - wann, wo, wie und mit wem ICH will" © »Paula«

PS: Ich wurde sowohl auf dem Hinweg als auch dem Rückweg sexuell belästigt, viermal verbal und einmal sogar bedrohlicher als das. Der Alltag ist leider noch immer alles andere als sicher (siehe auch Artikel und Kommentare bei der Mädchenmannschaft) – und die SlutWalks somit alles andere als überflüssig…

13 Kommentare zu SlutWalk (Berlin)

  1. Ich danke dir für deinen persönlichen Beitrag und damit diese wunderbar politische Einschätzung. Du sprichst Dinge an, über die ich auch nachdenke. Auch ich grüble eine Weile darüber nach und werde eine tiefes Unbehagen nicht los.
    Ich habe versucht, den Diskussionen seit dem ersten Marsch in Toronto zu folgen, und auch für mich stand die Frage im Raum, ob ich in Berlin teilnehmen sollte. Hätten mich nicht gesundheitliche Gründe davon abgehalten, wäre ich wohl auch eher zur ersten Prague Pride gefahren. Und das hat viel mit dem zu tun, was ihr alle sagt.

    Denn dass die Presse eben das aufgreift, was sie (auf)reißerisch benutzen kann, liegt m.E. nach eben daran, dass die Märsche als Aussage von Frauen in der Art „Wir mögen Sex mit vielen Männern“ gesehen werden. Die politische Aussage „Zu unseren Bedingungen“, also selbstbestimmt, fällt dabei hinten runter. Warum sonst ist das erste Zitat, das die Süddeutsche von dem Marsch aus München bringt „I love sex“? Als müssten das Frauen erst noch klarstellen. Denn auf den ersten (unkritischen) Blick sind die Märsche eine Affirmation heteronormativen Begehrens. Und das mögen die Medien. Deswegen hätte ich auch ein Problem mit „Wir sind sexy-Täter sind andere“.

    Ich frage mich, in Anlehnung an das, was Deef sagt, was daraus folgt. Wer sind die Adressatinnen der Märsche? Ergeben sich daraus Aktivitäten, weitere Märsche zu ähnlichen/weiterführenden Themen? Ich weiß die Bewegung ist noch am Anfang, aber wenn sie sich auch mit den Forderungen der zweiten Frauenbewegung auseinandersetzt, werden dann auch Märsche – zu ähnlichen Themen vielleicht – (trotz Witterungsbedingungen) am 25.11. oder 8.3. stattfinden? Denn wenn nicht, bleiben sie ahistorisch und damit apolitisch, weil sie eben nicht die die Forderungen der ersten und zweiten Frauenbewegungen aufnähmen. Und das fände ich sehr schade, weil sie dann an Schwung und Energie verlieren würden.

    • Diese Frage, ob die Märsche auch außerhalb des sommerlichen Wetters stattfinden werden, habe ich mich auch schon gefragt. Auch, ob und wer dann kommt. Auch, ob und wer dann darüber berichtet. Da die SlutWalks aber (bisher?) nicht auf offiziell politischer Ebene organisiert werden, sondern in der Freizeit einzelner, bin ich nicht so sicher, wie sich das entwickeln wird.

      Zum Rest, siehe oben Antwort auf Deef.

  2. Ich hatte ja mit dem Gedanken gespielt, mit einem lila Satin-BH überm engen T-Shirt auf dem Slutwalk aufzukreuzen, habe es dann aber gelassen, weil ich nicht in sämtlichen Klickstrecken auftauchen wollte.

    Hier noch zwei Links aus München (mit Kritik an Fotografen):
    http://www.mucbook.de/2011/08/14/alles-schlampen-oder-was/
    http://www.mucbook.de/2011/08/14/schlampenalarm/

    Und eine Kolumne von Luise Pusch, die auch nicht dort war:
    http://www.fembio.org/biographie.php/frau/blog/slutwalk-und-schlampenmarsch/
    Schlampenprozession hat was, das spricht die gelernte Katholikin in mir an 🙂

  3. @Paula: Danke für den Bericht.

    Möchtest du etwas näher erläutern, inwiefern du belästigt wurdest?

    Die Idee der SlutWalks ist unterstützenswert. Ich glaube aber, dass der Titel schlecht gewählt ist und klingt, als würden Frauen für eine Anerkennung von promiskuitiver Lebensweise demonstrieren. Auch das wäre nicht verkehrt, aber die Botschaft soll ja (habe ich das richtig verstanden?) sein: „Wir dürfen uns zum Selbstzweck sexy anziehen und den Vorwurf, damit zweifelhafte Anmachen oder sexuelle Übergriffe zu provozieren, verurteilen wir aufs Schärfste“.
    Das in einen kurzen, verständlichen Titel zu bringen ist nicht leicht. Ein Versuch: die „Wir sind sexy – Täter sind andere“- Demo. Oder „Nein heißt nein“-Demo.

    Was du zum Thema Fotografieren schreibst, ist interessant. Dass Fotografen gegen den Willen der Betroffenen zudringlich werden, Nahaufnahmen machen wollen, ist eine Unverschämtheit und eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Dass man aber überhaupt (z.B. in einer Menschengruppe) fotografiert wird, muss man als Teilnehmer oder Teilnehmerin einer öffentlichen Demo nach deutscher Rechtslage hinnehmen. Es ist auch im Sinne von Demonstrationen. Sie wollen Öffentlichkeit für ein Anliegen herstellen und das passiert am Ort des Geschehens und über die mediale Berichterstattung. Ohne Bilder keine Berichterstattung.

    Man kann sich aber fragen, ob Slutwalks in den Medien so dargestellt werden, wie es sich die Veranstalter erhoffen oder ob die Botschaft verzerrt wiedergegeben wird. Wie findest du die Darstellung auf sueddeutsche.de?

    • Möchtest du etwas näher erläutern, inwiefern du belästigt wurdest?

      Auf dem Hinweg bekam ich in drei verschiedenen Situationen anzügliche Kommentare zu hören, inklusive hinterherpfeifen und eine derbe Beleidigung (weil ich es „gewagt“ habe, den Mittelfinger zu zeigen, als die Tür der Bahn sicher geschlossen war). Auf dem Rückweg abends gab es einmal „nur“ anzügliche Bemerkungen, aber kurz vor meiner Station setzten sich links und rechts zwei betrunkene Typen neben mich, von denen einer seine Hand auf mein Knie und der andere um meine Schulter legte. Ich hatte Glück, dass wir gerade hielten und ich nah genug am nächsten S-Bahn-Wagen war, um in diesen springen zu können, doch sind sie ebenfalls an meiner Station ausgestiegen. Sie haben mich kurz darauf auch wieder entdeckt, doch hatte ich glücklicherweise mein Fahrrad dabei und kam so schneller weg als sie mir hinterher. Als „blöde Schlampe“ wurde ich dabei auch beschimpft.

      (Leider ist so etwas Alltag, und auch nicht nur dann, wenn ich einen Rock trage. Am Tag darauf war ich in Jeans und Pullover unterwegs und irgendein Sack hat mir in der Bahn warme Luft in den Nacken geblasen und dabei dämlich gegrinst.)

      Ich glaube aber, dass der Titel schlecht gewählt ist und klingt, als würden Frauen für eine Anerkennung von promiskuitiver Lebensweise demonstrieren.

      Ja, ich schrieb ja auch, dass ich den Titel schwierig finde, trotz der vielen Disclaimer und Statements (schwierig allein deshalb, weil genau solche nötig sind). Vielleicht werden zukünftige Demos unter einem anderen laufen? Deine Vorschläge, oder „Anti-Sexmismus“, oder so.

      Dass man aber überhaupt (z.B. in einer Menschengruppe) fotografiert wird, muss man als Teilnehmer oder Teilnehmerin einer öffentlichen Demo nach deutscher Rechtslage hinnehmen

      Dagegen habe ich auch nichts gesagt, und klar, das lässt sich nicht vermeiden bzw. ist die Sichtbarkeit ja wichtig. Ich meine wirklich einzig und alleine diejenigen, die a) viel zu nahe herangekommen sind (50cm Abstand ist nicht zu rechtfertigen und zudem gefährlich in einer laufenden Menschenmasse) und b) auch dann nicht aufgehört haben, zu fotografieren, wenn sie darum gebeten wurden.

      Wie findest du die Darstellung auf sueddeutsche.de?

      Auch eher furchtbar. Zunächst hasse ich Klickstrecken, weil ich so den Text kaum flüssig lesen kann und zudem ganz eindeutig viel nackte Haut untergebracht werden sollte. Dann sind auch Fakten falsch (es waren z. B. 3000 Teilnehmer_innen, nicht 1000), es wird auch von „überwiegend aufreizender Kleidung“ geschrieben (obwohl die Menschen im Hintergrund das nicht belegen) und andauernd von „provokanten Schilder“ gesprochen.

      Jetzt frage ich mich: Was ist daran provokant, zu sagen, „Mein Körper gehört mir“, „Nein heißt nein“ oder „My Vagina, My Choice“? Wen zur Hölle provoziere ich denn damit? Und wenn „aufreizend“ gleichbedeutend ist mit „frau hat etwas an, in dem ersichtlich wird, dass sie Brüste hat“, dann möchte ich in dieser beschissenen Welt eigentlich nicht mehr leben!

    • Fühle mich gerade naiv, weil mir gar nicht bewusst war, dass derartige Belästigungen, wie du sie beschreibst, anscheinend gang und gäbe sind. Glaube nun aber umso mehr, dass die bewusst sexuelle Ausrichtung von Slutwalks durch den Titel und die Kleidung in der Außenwirkung auf diese unsere Gesellschaft ihre Botschaft verfehlt. Eine vom Titel und Motto her klar als politisch/gesellschaftliches Statement zu verstehende Ausrichtung hätten die Medien – so glaube ich – ernster genommen. Dabei hättem die Slutwalk-OrganisatorenInnen, diejenigen, die „slutty“ mitlaufen wollen nicht ausschließen müssen. Siehe CSDs, die von Organisation und Motto zumeist sehr politisch/gesellschaftlich ausgerichtet sind, aber Showtransgender und FetischvorzeigerInnen (beides nicht abwertend gemeint) in der Parade problemlos integrieren.

      Zum Artikel von sueddeutsche.de:
      Stimmt, viel nackte Haut ist zu sehen. Der Veranstaltungstitel Slutwalk klingt in den Ohren von Redakteuren aber auch bestimmt nicht so, als sei das verwerflich.

      Hier im Bild http://www.sueddeutsche.de/muenchen/schlampenmarsch-in-muenchen-mein-dekollete-gehoert-mir-1.1131166-4
      sind Damen, die unter anderem Strapse bzw. Netzstrümpfe tragen. Darunter steht „aufreizende Kleidung“ – dagegen lässt sich schwerlich etwas sagen.

      In gleichem Bild ist das Schild mit der Aufschrift „My Vagina, My Choice“ zu sehen. Was daran provokant ist, kann ich nur vermuten. Das Wort „Vagina“? Muss dabei unwillkürzlich an die Karikatur einer feministischen Künstlerin in Big Lebowski denken, die die These aufstellt, dass allein das Wort „Vagina“ provoziere. Da könnte mehr dran sein, als ich bisher dachte. Sexuell selbstbestimmte Frauen sind zwar auf der einen Seite die Traumvorstellung vieler moderner Männer, auf der anderen Seite aber ein Angriff auf die Rollenklischees, die unsere Gesellschaft für „brave Mädchen und Frauen“ vorsieht. Aber diese Provokation ist doch (neben anderen Themen) ganz im Sinne der Slutwalks, oder?

      Versteh mich nicht falsch, ich will mediale Verzerrung nicht schön reden. Ich glaube aber, dass Titel und Präsentation der TeilnehmerInnen bei Slutwalks ihren Teil dazu beitragen, wie über Veranstaltungen berichtet wird. Das entschuldigt nicht, dass Medien eine Mainstreamperspektive einnehmen und Erotisches in den Vordergrund rücken. Man kommt allerdings als AktivistIn oder VeranstaltungsmacherIn nicht umhin, sich auch mit den Medien zu arrangieren, wenn man seine Botschaften nicht nur in Szeneblogs, sondern auch erfolgreich an ein Mainstreampublikum weitergeben möchte.

    • Eine vom Titel und Motto her klar als politisch/gesellschaftliches Statement zu verstehende Ausrichtung hätten die Medien – so glaube ich – ernster genommen.

      Für mich ist es schwierig, zu sagen, was hier der „richtige“ Weg wäre, um ehrlich zu sein. Ich fühle mich dazu nicht berufen, denn ich kann sowohl die Argumente dafür als auch dagegen verstehen. In Bezug auf die Medien ist das Sexuelle zumindest insofern „sinnvoll“, als dass es tatsächlich eine weit verbreitete Berichterstattung gab. Weniger gut hingegen ist die Art der Berichterstattung, die ich als eher tendenziös empfinde (ebenso auch beim CSD). Meinst du wirklich, eine „normale“ feministische Demo wäre von den gängigen Medien (gerade im Fernsehen) als erwähnenswert empfunden worden? Ich weiß es nicht, bezweifle es aber. Und selbst, wenn der SlutWalk anders geheißen hätte, wären trotzdem nur diejenigen, die „slutty“ angezogen waren, in den Bildern aufgetaucht – verkauft sich ja schließlich viel besser.

      Aber ja, ich habe echt so meine Probleme mit dem Begriff „SlutWalk“, und ich weiß auch nicht, wie das in Zukunft arrangiert werden wird in Bezug auf die Medien. Mal abwarten.

      Damen, die unter anderem Strapse bzw. Netzstrümpfe tragen. Darunter steht “aufreizende Kleidung” – dagegen lässt sich schwerlich etwas sagen.

      Ja und nein. In dem Fall vermutlich ja, da hast du Recht, denn Strapse zählen heutzutage zu erotischer Wäsche, zumindest, wenn sie sichtbar sind. Deswegen laufen vermutlich i. d. R. nur Prostituierte so auf der Straße rum, um sich „erkenntlich“ zu machen.

      Das Wort „aufreizend“, mit dem ich generell so meine Probleme habe, fiel aber (nicht bei der Süddeutschen, aber anderswo) oft auch bei Bildern, auf denen die Frauen einfach nur Röcke trugen, oder Spaghettiträgertops, oder schulterfreie Oberteile. Die Bezeichnung „aufreizend“ in Bezug auf solche Kleidung impliziert für mich, dass eine Person A eine Person B reizen will, also so, als wäre es Absicht, als stünde ein Ziel dahinter, diese Kleidung zu tragen. Sicherlich gibt es das auch oft, dagegen spricht ja nix – aber warum darf ich als Frau solche Kleidung nicht aus Bequemlichkeit tragen, oder weil es draußen verdammt heiß ist, ohne dass es kommentiert wird? Wird denn ein Mann im Tanktop, in kurzen Hosen oder oben ohne als „aufreizend“ bezeichnet? Habe ich noch nie so gehört. Ergo höre ich damit heraus, dass es weibliche Beine und Brüste sind, die als „Reiz“ gelten und durch die Kleidung betont werden, um andere „aufzureizen“. Woraus dann wiederum zu oft der Schluss gezogen wird, „sie habe es ja so gewollt“ – genau das, wogegen der SlutWalk steht.

      Es mag aber durchaus sein, dass es da ganz andere Interpretationen gibt; das hier ist nur meine.

    • Noch dazu: Der Begriff „aufreizend“ wird ja auch von den Organisator_innen selbst verwendet. Es ist also wirklich meine ganz eigene Auffassung hier. Nur, dass es nicht zu Missverständnissen kommt. 🙂

    • Ich bin vollkommen bei dir, was die Schwierigkeit der optimalen Präsentation einer Demonstration gegen Vergewaltigungsmythen und für sexuelle Selbstbestimmung angeht. Ist sie „bieder“, heißt es womöglich, da demonstrieren frustrierte Emanzen, ist sie „slutty“ stürzen sich manche Medien auf die erotische Komponente. Man kann sicher nicht jede Verzerrung abwehren, selbst wenn man versucht einen Slutwalk mit anderem Titel in der Mitte zwischen den Polen „bieder“ und „slutty“ anzusiedeln. Wie der für die Vermittlung der Botschaften beste Weg aussieht, muss die „Bewegung“ selbst wohl noch herausfinden. Nicht nur hinsichtlich der Berichterstattung, sondern auch, um möglichst viele Menschen zum Mitlaufen zu animieren.

      Zum Thema „aufreizend“: Gutaussehende, schlanke Frauen, die nackte Haut zeigen oder figurbetonte Kleidung tragen, gelten als aufreizend. Männer, die sich so präsentieren, als Schönling oder schwul. Das ist der tägliche, traurige Sexismus gepaart mit Diskriminierung von Übergewichtigen bzw. von den Schönheitsidealen abweichenden Menschen.

      Das wird sehr schwer zu ändern sein, weil da unheimlich viele Dinge reinspielen – z.B. dass manche Menschen (ich auch gelegenlich) aufreizend sein wollen und sich damit bewusst oder unbewusst von der Gruppe der dem Schönheitsideal nach reizlosen Menschen absetzen. Schönheitsideale sind ein Wirkungskreis – sie bestimmen unsere Geschmäcker und wir bestimmen sie, in dem wir uns entsprechend zeigen, kleiden, verhalten. Geschmack ist etwas Emotionales, was sich nicht einfach mit einer Vernunftentscheidung abstellen lässt. Man könnte sagen, dass in den letzten Jahrzehnten unsere Gesellschaft hinsichtlich Frauen- und Minderheitenemanzipation viele Schritte nach vorne gemacht hat. Gleichzeitig sind aber die Schönheitsideale für Frauen (und z.T. auch für Männer) enger geworden – vor allem was Körperbehaarung und Schlankheit angeht.

      Fazit: es gibt viel zu tun und es wird nicht leicht sein.

    • Ich wollte ja noch was dazu schreiben:

      Fühle mich gerade naiv, weil mir gar nicht bewusst war, dass derartige Belästigungen, wie du sie beschreibst, anscheinend gang und gäbe sind.

      Ich habe solche Dinge auch schon erlebt, allerdings waren Paulas Erlebnisse an diesem Tag bei mir auf mindestens 10 Jahre verteilt. Deshalb bin ich auch erschrocken beim Lesen.

      Warum passiert mir viel weniger?

      * Zufall / Glück
      * ich gehe abends nicht oft aus
      * Berlin ist kaputter als München

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